Franziska Schmidt . Berlin - Kunst Foto Historikerin, Germanistin
Luca Vecoli, Führsorge
Luca Vecoli, Fürsorge, 2009
WAS BLEIBT? – EINE FOTOGRAFISCHE SPURENSUCHE
„Ohne Fotografie ist der Moment für immer verloren, so als ob es ihn nie gegeben hätte.“ (Avedon) Wie zum Beweis halten zwei Hände dem Betrachter eine kleine Schwarzweiß-Aufnahme entgegen, darauf eine lächelnde junge Frau, ihr Mann und zwei Kinder im Arm. Ein Bild im Bild. Zugleich ein Augenblick der Ewigkeit sowie ein ganzes Leben zwischen zwei Ebenen gebannt. So behutsam die Geste jene fotografische Erinnerung zu halten und zu bewahren sucht, so vorsichtig und liebevoll berühren ebendiese Finger im nächsten Bildmoment den Kopf der inzwischen alt gewordenen bettlägerigen Frau. Wir sehen das eingefallene Gesicht der Greisin und erahnen bereits das Antlitz einer Entschlafenen darin. Es sind Augenblicke von Angelika R. und ihrer schwerstkranken pflegebedürftigen Mutter, die Luca Vecoli für seine Bildserie „Führsorge“ begleitet und mit der Kamera festgehalten hat. Vor allem der besondere Blick für die Details vor Ort verleihen dem Geschehen eine einzigartige Stimmung: Bilderrahmen auf Tischen und an der Wand, ineinander gestapelte Koffer mit in Säcken aussortierter Wäsche davor, sorgfältig arrangierte Kunstblumen, leere Plastiktüten, aus der Mode gekommene Deckenleuchten, in Fototapete getauchte Zimmer, „blinde Flecken“ an der Wand. Wie Erinnerungen ziehen Momente und Gegenstände der Vergangenheit an uns vorüber. Und dabei schauen wir auch auf uns selbst. Es sind diese ins Bild gebannten, melancholisch eingefärbten Stimmungen, Gefühls- und Gedankenbilder von einem Ort, der im Dazwischen liegt, von einem Nicht-Mehr aber auch Noch-Nicht, die der Arbeit von Vecoli eine große Intensität verleihen.
Was bleibt, wenn ein Leben zu Ende geht? Vecolis Bildgeschichte möchte keine Portraitarbeit oder dokumentarische Betrachtung im herkömmlichen Sinne sein. Die Serie gleicht eher einem zu Metaphern gewordenen Bildgedicht. Sie ist eine poetisch-fotografische Reflexion von Couleurs und Tönen einer sich langsam verabschiedenden Welt, die einst Heimat bedeutet hat. In ihrer zurückgenommenen Farbigkeit entführen die Aufnahmen den Betrachter ob des Verlusts in eine subtile Stimmung von Traurigkeit. Das Leben bedeutet Bewegung und Vergehen und nichts bleibt wie es ist. Vecoli versucht letzten Endes diesem Fließen für einen Augenblick Einhalt zu gebieten und der eigenen Wahrnehmung neue Räume und somit Wege zu eröffnen, so wie jener Blick zum Küchenfenster ins Licht hinaus. Was kommt danach? Die Hoffnung auf einen Neuanfang!
© Franziska Schmidt, 2018
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