Franziska Schmidt . Berlin - Kunst Foto Historikerin, Germanistin
Amin El Dib, Body and Soul
Amin El Dib, Tableau "Body and Soul“, 2014-2018
Bildberührungen
Evozierte Verstörung – Narben und Brandmale auf nackter Haut an Armen und Beinen, Spuren von Einritzungen und Selbstverbrennungen. Wir sehen einen gezeichneten Leib, Verletzungen, die Spiegelungen innerer Seinszustände, Verfremdungen des Ichs bedeuten und sich in Oberflächenmetaphern manifestieren sowie zur Zeichenhaftigkeit abstrahieren. Es ist ein weiblicher Körper, dem in der Anonymisierung, wie einer verlorenen Existenz, kein Gesicht zugeschrieben ist. Die Bilder sind ein Bekenntnis und bedeuten radikale Entblößung und Sichtbarmachung zugleich. Der Blick des Fotografen erfasst genau und unbarmherzig alle Details und fokussiert die Kamera im vollen Bewusstsein auf das Wesentliche. In der Vergrößerung, der Konzentration auf die (Haut)Oberfläche, verbirgt sich der Wunsch zur Enthüllung, um zu dem zu gelangen, was dahinter liegen könnte.
Mit der Serie „Body and Soul“ unternimmt Amin El Dib eine fotografische Spurensuche psychischer Einschreibungen. Das Aufzeigen „tatsächlicher und existentieller Gefährdung“, von Verwundungen und Vergänglichkeit sind bestimmende Elemente in seinem Werk. Dabei changiert das in mehrere Bildelemente gegliederte siebenteilige Tableau zwischen Gleich- und Ungleichgewicht – ausdrücklich so impliziert und arrangiert – ein stetes Ausbalancieren, das dem Auge wenig Halt bietet und den Betrachter in verschiedene Ebenen eintauchen lässt. Die Aufnahmen sind wie ein gegenseitiges Abtasten von Fotograf und Modell, wie ein Provozieren und Kokettieren, wie Offenbaren aber auch sich Verstecken. In dem Akt der Selbstwahrnehmung und Selbstdarbietung vor der Kamera zeigt sich ebenso die Sehnsucht und das Verlangen nach Annahme, Berührung, Anrührung, ganz wie jene Hand im Bild, die sacht den eigenen Körper zu umfassen sucht. El Dib lotet schonungslos, zugleich behutsam und sensibel jene Bildberührungen aus, so dass diese in der Unmittelbarkeit der Darstellung auch für uns als Betrachter konkret erfahr- und somit fassbarer werden.
El Dibs fotografische Aufzeichnungen sind von einer Dringlichkeit bestimmt, die in der ihr eigenen Prägnanz und Intensität Oberfläche und Farbe der Haut derart realistisch wiederzugegeben vermag, dass es beim Betrachten schmerzt. Die Körpernarben sind in der physischen aber auch psychischen Präsenz „eingebrannt“ – ins Bild, Auge, Gedächtnis. Im Spiegel der Tatsachen werden Verschleierungen vermieden und Verletzungen sichtbar gemacht und offen gezeigt. Die Fotografie manifestiert nicht nur was ist, sondern impliziert im gewissen Maße auch das, was dem zugrunde liegt. Dabei können die Narben sowohl von den Daseinsbrüchen als auch von einer Heilung erzählen. Es sind in Haut gegebene Übertragungen eines Innen nach einem Außen, denen man sich durch die Unvermeidbarkeit des Betrachtens nicht entziehen kann.
© Franziska Schmidt, 2018
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